Samuel Koch will keinen klassischen Mutmacher-Stempel
15 Jahre nach seinem Unfall bei „Wetten, dass...“ ist Samuel Koch in Günzburg zu Gast. Beim Lions Club spricht er offen, humorvoll und reflektiert über sein neues Leben.
Heute ist Samuel Koch Schauspieler und Autor, aber auch Sprecher, einer, der Menschen mit dem, was er zu erzählen hat, inspiriert. „Von mir gibt es jetzt keinen Monolog in der Art ‚Tschakka, Du schaffst es‘“, warnt er seine Zuhörerinnen und Zuhörer im voll besetzten Günzburger Forum am Hofgarten. Er will kein Mutmacher sein, auch wenn ihm der frühere Bundespräsident Joachim Gauck diesen Stempel einmal verpasst hatte. „Nur wenn ich auch ein Langmut-, Demut- und Sanftmutmacher sein darf, kann ich den Titel akzeptieren“, sagt Koch. Er sehe sich mehr als jemand, der andere zum Mut inspiriert, als ihn für sie zu machen.
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Die Menschen, denen er diese Inspiration zukommen lässt, haben wie er brutale Einschnitte in ihr Leben erfahren: durch Krankheiten, durch Unfälle oder auch durch eine Gefängnisstrafe. Immer spielt dabei sein blitzgescheiter Humor eine Rolle, der bei seinem Vortrag im Forum zu hören ist. Zum Beispiel, wenn er von der Begegnung mit einem 16-Jährigen erzählt, der nach einem Trampolinunfall wie Samuel Koch selbst querschnittsgelähmt im Krankenhaus liegt und allen Lebensmut verloren hat, den Sport und das Fliegen vermisst. „Ich bin ja nicht gut im Wetten, offensichtlich“, sagte Samuel Koch ihm. „Aber trotzdem wette ich mit Dir: Wenn Du die Reha durchstehst, dann werden wir wieder fliegen.“
So humorvoll und reflektiert der heute 38-Jährige erscheint: Die Verzweiflung, die Samuel Koch packte, als er nach den extremen ersten Wochen im Anschluss an den Unfall erstmals vor einen Spiegel geschoben wurde, um sich selbst wieder sehen zu können, muss gewaltig gewesen sein. „Gedanklich war ich in einer Abwärtsspirale, das war nicht mehr ich, nur noch übereinandergestapelte Knochen, umgeben von leblosem Fleisch.“ Damals habe er alles verloren, von dem er glaubte, dass es ihn ausmache: Das Leistungsturnen, das gerade begonnene Schauspiel-Studium, alles, was man eben so als 19-Jähriger vor sich hat. Samuel Koch ist daran nicht verzweifelt und zerbrochen, auch deswegen nicht, weil er die Grundlagen dafür schon lange vor seinem Unfall bekommen hatte. „Meinen Geschwistern und mir wurde als Kind vermittelt, dass unser Wert als Mensch nicht von der Leistung abhängt. Vor allem mein Papa hat dafür gesorgt.“ Statt Ärger wegen schlechter Noten gab es Trost, statt Ermahnungen, wenn sich die Geschwister stritten, die Ansage, dass man trotzdem geliebt und geschätzt wird und alle die Bestnote verdient haben: „Du bist Eins plus.“
Der Glaube spielt im Leben von Samuel Koch eine wichtige Rolle, und dazu gehört für ihn auch das Zweifeln. Er erzählt, wie er das erste Mal in einer Schweizer Spezialklinik nach draußen geschoben wurde, endlich wieder eine Wiese und den Himmel sah und frische Luft atmete. Er habe seine Verzweiflung zu Gott gerufen. „Wenn was kaputt ist, wende ich mich immer direkt an den Hersteller, ob Handy oder mein Körper.“ Da ist er wieder, Samuel Kochs feiner Humor. Menschen hätten gefragt, wie er nach dem Unfall, bei dem er sich vierfach das Genick gebrochen hatte, noch an Gott glauben könnte. Doch im Gegenteil sieht er es so: Ohne seinen Glauben, der ihm schon vorher wichtig war, hätte er sein Leben nach dem Unfall nicht meistern können.
Mit Unterstützung seines Vaters hat der Schauspieler den Verein „Samuel Koch und Freunde“ gegründet, eine Organisation, die den Menschen beisteht, die anderen Menschen in Notlagen zur Seite stehen. Ein wichtiges Anliegen, das auch dem Lions Club Günzburg mit seinem Präsidenten Steffen Kriegsmann eine Spende über 3000 Euro wert war. Für Samuel Koch und den Moderator des Abends, Stefan Kreutzer, gab es wenige Tage vor dem offiziellen Verkaufsstart am Samstag je ein Exemplar des Lions-Adventskalenders 2025.
Ein absolutes Erfolgsprojekt zugunsten wohltätiger Zwecke, wie der Initiator und Organisator Hans-Jürgen Sattler in einer Interviewrunde auf der Bühne verriet. „Wir haben es geschafft, erstmals brutto eine Million Euro zu erlösen“, so Sattler. Das nächste Ziel: die 1,5-Millionen-Euro-Marke. Nutznießer sind zahlreiche Projekte der Lions, darunter die Hochwasserhilfe im Landkreis Günzburg, sowie zahlreiche Schulprojekte. Von Anfang an ist auch die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, einer der großen Nutznießer. Rund 180.000 Euro wurden in den vergangenen Jahren aus dem Adventskalender gespendet. Auch das Leserhilfswerk kann damit unmittelbar in der Region helfen, wie Geschäftsführer Oliver Jaschek im Talk berichtet. Das neueste Projekt: Neben dem Elinor-Holland-Haus in Augsburg entstehen 35 Sozialwohnungen.
Gäste und Organisatoren bewegt der Abend mit Samuel Koch sichtlich, besonders in den Momenten, in denen der Schauspieler reflektiert und bemerkenswert offen über seine Gedanken und Gefühle spricht und damit die klugen Fragen aus dem Publikum beantwortet. Aber auch der 38-Jährige ist beeindruckt: Denn die Schulband des Maria-Ward-Gymnasiums, die er liebevoll Streber nennt, begeistert auch ihn. 20 Minuten vor Beginn des Abends hatte er den Ablauf durcheinander gewirbelt und kurzerhand das Musikquartett in seinen Vortrag so eingebaut, dass es im Publikum ankam, als ob es längst so einstudiert wäre. Das passt zu dem, was Samuel Koch sich in seinem Leben als Nächstes vorgenommen hat: Seine ersten Regie-Projekte stehen bereits an.

